Teil 4 1795-1807- Die Reise
Ab 26. Dezember 1795 musste die echte Madame Royale verborgen werden. Alphons Pfyffer von Heidegg vermittelte aus alter Anhänglichkeit zu König Ludwig XVI., dessen Tochter den Aufenthalt auf Schloss Heidegg.Schloss Heidegg. Das zur Gemeinde Gelfingen gehörende Schloss ist das Wahrzeichen im Luzerner Seetal.
Zeitgenössischer Stich
Die Räumlichkeiten des Schlosses Heidegg sind geeignet gewesen, der französischen Königstochter ein passendes Ambiente für ihr Asyl zu geben.
Hier blieb Marie Thérése Charlotte bis 1798. Auch in der Schweiz bekamen die revolutionären Ideen Napoléons die Oberhand. Die Prinzessin musste aus Sicherheitsgründen mit ihrem Diener Johann Philipp Scharre die Schweiz verlassen.
Marquise de Tourzel, die frühere Erzieherin der französischen Königskinder, bot ihr einen Aufenthalt auf dem Stammsitz der Familie, dem Schloss Source bei Le Mans, an.
wikipedia
Marquise de Tourzel
Van der Valck, holländischer Diplomat, war seit Juli 1798 Sekretär der batavischen Gesandtschaft in Paris und verkehrte somit in den höchsten Kreisen von Gesellschaft und Politik.
Leonardus Cornelius van der Valck 1793
Er besaß gute Kontakte zu den mächtigen Politikern Talleyrand und Lafayette.
wikipedia Maler François Gérard 1808
Talleyrand, einer der bekanntesten französischen Staatsmänner und Diplomaten
wikipedia Maler unbekannt
Marquise de Lafayette, Mitglied der Generalstände, lehnte aber die Politik Bonarpates ab.
Nach einem guten halben Jahr kündigte van der Valck aus gesundheitlichen Gründen und kehrte am 01.März 1799 nach Holland zurück. Dort bereitete er seine Ausreise nach Deutschland vor, eine solche Entscheidung ist ungewöhnlich. Bereits von Paris aus hatte van der Valck mit Agnes Berthelmy, der Frau eines republikanischen Generals korrespondiert. Hierzu gibt es Briefe, 13 getarnte Liebesbriefe, die sich vermutlich auf Valcks künftige Aufgabe beziehen.
In dem Brief Nr. 10 vom 09.Juni 1799 schrieb Valck (in deutscher Übersetzung):
Das Bild, welches Sie mir von der Person gemacht, mit welcher man ihr Schicksal vereinigen will, ist vorteilhaft, ein Bund, welcher auf Achtung gegründet ist, ist ein glückliches Anzeichen, ihre Tugenden, ihre Schönheit werden Sie sogleich lieben lassen und ich werde die Befriedigung haben, meinen Segen zu wünschen zu einem Glück, welches ich niemals vollkommen gemacht haben würde.
Überliefert ist, dass noch im selben Jahr 1799 van der Valck und die Prinzessin nach Jena gereist sind, um den berühmten Arzt Professor Justus Loder zu konsultieren. Hier blieben sie nur einige Tage und treffen dann am Hofe in Weimar mit Livländern und Kurländern zusammen. Geld und Post gehen in dieser Zeit in Gotha ein.
Ein längerer Aufenthalt des Paares ist vom September 1801 bis April 1802 im unterfränkischen Schweinfurt nachweisbar. Frau Karoline von Berg, eine der besten Freundinnen und Vetrauten der Königin Luise von Preußen, Schwester der Herzogin Charlotte von Hildburghausen, nimmt sich des Paares an und gewährt ihnen Unterkunft auf dem Schweinfurter Markt in dem Haus von Berg.
Wikipedia, Maler unbekannt
Karoline Friederike Gräfin von Berg, geborene von Haeseler (1760-1826) Gemälde um 1800
In den Schweinfurter Ratsakten ist verzeichnet, dass van der Valck hier eine Passverlängerung auf den Namen "Vavel de Versey" durch den französischen Gesandten, Franz Maria Bacher, erhielt. Derselbe Bacher, der am 26.Dezember 1795 als französischer Bevollmächtigter den Austausch der Madame Royale bewerkstelligte.
Auch ist bekannt, dass sich das Paar in Frankfurt und Mainz aufhielt. Es wurde vermutlich immer von dem älteren Diener und Kutscher Johann Philipp Scharre begleitet. Er hat auch im Herbst 1803 als Kommissionär des Grafen in der damaligen Hofapotheke in Ingelfingen, vor ihrem Eintreffen das erste Obergeschoss gemietet. Das Paar reist dort, um Aufsehen zu vermeiden, zu später Stunde an. Der Hauswirt wurde gebeten, von jeder Begrüßung seiner Gäste Abstand zu nehmen. Es durfte sich kein Unbefugter auf der Treppe oder auf den Gängen aufhalten.
Hofapotheke in Ingelfingen
Das Gebäude ist Eigentum des Fürsten Friedrich Ludwig von Hohenlohe-Ingelfingen und steht unweit des Residenzschlosses.
Eine ortsansässige angestellte Dienerin durfte Teile der Wohnung nur zu gewissen Stunden betreten. Die von ihr zubereiteten Mahlzeiten wurden vom Diener Scharre in einen Vorraum gebracht und von dem Herrn abgenommen. In Ingelfingen sah man die Fremden als französische Emigranten, trotzdem erregten die Unbekannten einige Tage nach ihrem Eintreffen Aufsehen.
Das Schloss Ingelfingen von der Parkseite.
Es war ein Zufall, dass die Dame eine Tages ihren grünen Schleier zurückschlägt und der Sohn des Geheimrats Kraus ihr Gesicht zu sehen bekommt. Einige Tage später wurde in Ingelfingen Bourbonenbilder gezeigt, darunter auch das Porträt der Königstochter Marie Thérèse Charlotte. Als der Geheimratssohn das Porträt sah, rief er erstaunt aus: Das ist ja meine Gräfin Vavel.
Zeitgleich wurde der Herzog von Enghien verhaftet, mit dem van der Valck gut befreundet war und von diesem gewarnt wurde. Im März 1804 reißt daher das Paar überstürzt ab. Der Herzog wurde erschossen.
Erschießung des Herzogs von Enghien in den Wällen des Schlosses von Vincennes am 22.März 1804
Durch den überstürzten Aufbruch ist das Paar aufgrund der schlechten Straßen nicht weit gekommen und hielt sich kurz darauf vermutlich im Jagdhaus Sonnenhof in Künzelsau auf.
Jagdhaus Sonnenhof, Besitzung der Freiherrn von Stetten
Kurz darauf verbrachte das Paar wenige Tage auf dem Bodenhof bei Schloss Buchenbach.
Bodenhof bei Buchenbach, Besitzungen der Freiherrn von Stetten
Im Jahr 1805 reiste der Dunkelgraf mit Kurierpferden nach Wien.
Reise des Dunkelgrafen mit Kurierpferden nach Wien
Dort traf er sich mit Zar Alexander I., um sich Rat einzuholen. Vermutlich kam das geheimnisvolle Paar im Gefolge des Zaren über Frankfurt am Main am Wiener Kaiserhof an.
Zar Alexander I. Pawlowitsch (1777-1825)
1806 wohnt das Dunkelgrafenpaar in Gerlingen. Im Dezember kommt es zu einer Begegnung mit Prinzessin Paul von Würtemberg, geborene Prinzessin Charlotte von Sachsen-Hildburghausen, Tochter des Herzogpaares Friedrich und Charlotte. Aufgrund ihrer bevorstehenden Niederkunft ihrer Tochter befand sich Herzogin Charlotte von Sachsen-Hilburghausen dort, nahe bei Stuttgart.
Herzogin Paul von Württemberg, geborene Prinzessin Charlotte von Sachsen-Hildburghausen. Zeitgenössischer Stich.
So kam es zu einer ersten Begegnung der Königstochter, die ihr Gesicht hinter einem grünen Schleier verbarg und der Herzogin Charlotte. Ihr Schwiegersohn ist ein Neffe des Zaren Alexander I. Es ist auch denkbar, dass das Treffen des Dunkelgrafenpaares mit dem Zaren hier seinen Ursprung fand.
Das Palais der Herzogin Paul von Württemberg, geborene Prinzessin Charlotte von Sachsen-Hildburghausen. Kolorierter Kupferstich, Zeichner und Stecher sind unbekannt.
Hier sprach vermutlich auch die Herzogin Charlotte der Madame Royale und ihrem Begleiter eine Einladung nach Hildburghausen aus.
Ab Januar 1807 hielt sich das Paar noch an weiteren Orten auf, stets auf der Suche nach einer längeren und sicheren Bleibe.
Sie haben keinen anderen Wunsch, als ungestört und unauffällig zu leben und sich an die gegebenen Ordnungen der Meininger Regierung zu halten.
In Coburg kam es zu einer Begegnung mit Herzog Ernst. In Meiningen logiert das Paar im „Gasthaus zum Hirsch“ mit der Bitte an die Vormundschaftsregentin Louise Eleonore von Sachsen-Meiningen, ihnen Aufenthalt zu gewähren. Die Meininger Herzogin bat aber um Legitimation, die konnte das Paar nicht vorweisen und so zogen sie weiter nach Hildburghausen.
Der Dunkelgraf hat in Themar eine Begegnung mit dem Amtmann Moreau, von dem er Näheres über die Freimaurerloge „Karl zum Rautenkranz“ erfahren will.
Das Netz der Freimaurerlogen hatte vermutlich einen großen Anteil am Schutz der Madame Royale.
Vor dem heutigen Puschkinplatz hat das Römhilder Tor gestanden, das das Dunkelgrafenpaar bei seiner Ankunft im Februar 1807 in Hildburghausen passiert hat, in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts eingelegt. Tonlitho von Rimmer, 1882.
Sammlung Bastian Salier.
So passierte ein eleganter Reisewagen das Römhilder Tor im Februar 1807 die kleine Residenzstadt Hildburghausen.
Bilder ohne Quellenangabe stammen aus dem Band „Das große Geheimnis von Hildburghausen“ (Mit freundlicher Genehmigung Salier Verlag Leipzig und Hildburghausen, Helga Rühle v. Lilienstern und Hans-Jürgen Salier)