Hildburghäuser Geschichte
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Meyer, Joseph

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Carl Joseph Meyer 

*  
9. Mai 1796 Gotha
† 27.Juni 1856 Hildburghausen 


   



Karl-Heinz May und Hans-Jürgen Salier
 

 

"Die Intelligenz ist der stärkste Hort der Humanität und Freiheit."

 

Carl Joseph Meyer und das Bibliographische Institut (1796 – 1856)  

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9. Mai 1796

* Carl Joseph MEYER in Gotha

Vater: Johann Nicolaus MEYER (* 25.02.1759 Rügheim/Franken, Hofschuhmacher; † 17.06.1823 Gotha). Mutter: Marie Juliane MEYER geb. LEINHOS (* 31.05.1772 Gotha, Tochter eines Strumpfwirkers; † 23.04.1851 Hildburghausen/2. Ehefrau von Johann Nicolaus MEYER)


1796 – 1807

Kindheit in Gotha, damalige Quergasse 843;

Besuch der Bürgerschule und des Gymnasiums, Abbruch. Leistungen und Verhalten werden sehr unterschiedlich eingeschätzt.


1807 – 1809 Zögling im philanthropischen Pensionat des Pfarrers und Schulinspektors Johann Salomo GROBE (1770 – 1837) in Weilar/Rhön. G. lehrt nach den Anschauungen des Schulmannes, Philanthropen und Schriftstellers Christian Gotthilf SALZMANN (1744 – 1811) aus Schnepfenthal bei Gotha.

1809 – 1813

Ausbildung zum Kaufmann in einem Frankfurter Kolonialwarengeschäft.

1813 – 1817

Kaufmännischer Leiter in vergrößerter väterlicher Manufaktur (Schnittwaren- und Schuhgeschäft). Beschäftigt sich in der Freizeit mit kaufmännischen Wissenschaften, neuen Sprachen, Geschichte und Literatur.

1817 – 1820 Volontär in London, Mitarbeiter im Export- und Importgeschäft von Eybe & Schmaeck. Beauftragter des Herzogs von Sachsen-Gotha zum Erwerb von Kulturgütern aus dem Orient und Indien. Riskante Spekulationsgeschäfte an der Londoner Börse, 1820 fehlgeschlagenes Kaffeegeschäft, Flucht aus London u. a. auch vor Schuldgefängnis.

 26. September 1820

Verlobung mit Hermine („Minna“) GROBE.

 1820 – 1823 Aufenthalt bei GROBE in Weilar.

Ab 1821 Geschäftsführer in der Freiherrlich von Boyneburgischen Gewerbs- und Hülfsanstalt zu Weilar. M. entwickelt fabrikmäßige Barchentherstellung. Das Unternehmen scheitert.

1824 – 1826

Rückkehr nach Gotha, Privatlehrer der englischen Sprache, Herausgabe Correspondenzblatt für Kaufleute. Im Zusammenwirken mit dem Henningsschen Verlag als Literat tätig.

Freie Übersetzungen einiger Werke SHAKESPEARES (Macbeth, Othello, Der Sturm) und SCOTTS (Waverley, Ivanhoe) und volkstümliche Verbreitung in hohen Auflagen.

 23. Mai 1825

Heirat in Maßbach/Unterfranken mit Hermine Friederike Henriette GROBE (* 28.10.1804 Gehaus/Rhön; † 16.11.1874 Hildburghausen).

 4. April 1826

* Sohn Hermann Julius in Gotha.

 1. August 1826

Gründung des Bibliographischen Institutes unter dem Namen seiner Frau in Gotha (Erfurter Vorstadt, später Frimarsche Straße). Erste Ausgaben der Bibliothek der deutschen Classiker (insgesamt 150 Bändchen). M. verhalf dem bis dahin in Deutschland nahezu unbekannten Subskriptionswesen zum entscheidenden Durchbruch.

 1827 – 1828

Auseinandersetzungen mit Verlegern und Buchhändlern in Mitteldeutschland, vor allem mit dem neugegründeten „Börsenverein der Deutschen Buchhändler“. Gegen M. werden Prozesse wegen Verletzung von Autoren- und Herausgeberrechten geführt; er verteidigt seine Anthologie-Projekte mit Ausschnitten der deutschen Klassikerwerke als „Nationaleigentum“ des deutschen Volkes.

 1827 – 1829

Belletristische Zeitschrift in englischer Sprache Meyer's British Chronicle in 4 Bänden sowie ein Handbuch für Kaufleute. Beginn der Editionen Bibliothek der deutschen Classiker in 4 Ausgaben.

 Dezember 1828

Übersiedlung des Bibliographischen Institutes in das Brunnquellsche Haus nach Hildburghausen (heute: Obere Marktstraße 44). 1. Druckerzeugnis in Hildburghausen:

Tabula gratulatoria zum 28. Geburtstag des Herzogs BERNHARD II. ERICH FREUND von Sachsen-Meiningen-Hildburghausen für dessen Unterstützung für das Bibliographische Institut. Teilhaber bzw. Geldgeber sind der Hildburghäuser Kaufmann Johann Erdmann SCHELLER (bis 20. Juni 1829) und ab 1829 sein Bruder, der Kaufmann Johann Wilhelm SCHELLER.

(Miniatur-, Cabinets-, Pracht- und Nationalausgabe). Probleme bereiten M. trotz Entgegenkommens des Herzogs und der Landesregierung u. a. die historisch überlebten Zunftgesetze und die von M. immer wieder verletzten Urheberrechte (Landesherrliche Verordnung vom 07.05.1829, betreffend den Büchernachdruck und Handel mit nachgedruckten Büchern).


17. April 1829

Bis zu diesem Zeitpunkt entwickelt sich die Offizin (Druckerei) zur sechstgrößten in Deutschland. Das unmittelbar von Meyer beschäftigte Personal beläuft sich auf 190, davon 101 aus Hildburghausen. Von Anfang an wird in der Offizin, in der Buchdruckerei und in anderen Abteilungen mit der damals modernsten Technik produziert (z. B. Schnellpressen).

Das BI gliedert sich in 4 Anstalten:

A: Die rein bibliographische (Stammanstalt),

B: die artistisch-geographische,

C: Maschinenbau,

D: Farbenfabrik (am ehemaligen Münzgebäude am Schlossrangen, Standort der heutigen ...)

 Ab 1829

 

Nach Vorarbeiten in Gotha verschiedene Bibelausgaben.

Familientempel, ein Andachtsbuch und die Bibliothek der Canzelberedsamkeit (1827 – 1831 in 18 Bänden).

 1830

Deutsche Miniatur-Encyclopädie oder Genius der besten neuen Dichter und Prosaisten. In ihren geistreichen und herrlichsten Stellen, Gedichten, Gedanken und Meinungen dargestellt von Meyer, eines der gewagtesten verlegerischen Unternehmen seiner Zeit.

 Herbst 1830

Nach der französischen Julirevolution betritt Meyer die politische Bühne.

Mitarbeiter des Bibliographischen Instituts demonstrieren gegen Gewaltmaßnahmen europäischer Fürsten (20. – 22.09.). An Meidinger in Frankfurt/M. schreibt er: „Es war allerdings ein gar kleines Revolutiönchen.“ Die Behörden verlangen Strafmaßnahmen gegen die Arbeiter und weisen 26 von ihnen aus.

Für Flüchtlinge des niedergeschlagenen Warschauer Aufstandes organisiert Meyer Solidaritätsaktionen.

18. Oktober 1830 Zum Ehrentag der Völkerschlacht bei Leipzig gibt Meyer als erster Unternehmer des Herzogtums seinen Mitarbeitern einen freien Nachmittag.

 19. Oktober 1831

Ca. 30 Arbeiter des Bibliographischen Instituts werden von der Polizei ausgewiesen. In M. regt sich mehr und mehr Widerstand gegen den Metternich-Staat, vor allem gegen das Wüten der Zensur.

 1. Februar 1832

* Tochter Meta

 Frühjahr 1832

Zusammentreffen mit Dr. Philipp Jakob SIEBENPFEIFFER, Vorstandsmitglied des pfälzischen "Preß- und Vaterlandsvereines", gemeinsame Herausgabe der oppositionellen liberalen Zeitschrift „Der Hausfreund“. Nach einigen Ausgaben Verbot durch Deutschen Bund. M. erkennt die enge Begrenztheit bürgerlich-revolutionären Machtwillens.

19. 05. - 15. 09. Daraufhin ediert M. die Zeitschrift Der Volksfreund (in Anlehnung an Marats revolutionäres Blatt "Ami de peuble"), Verbot durch Deutsche Bundesversammlung.



1833

Beginn der Edition der originellsten, genialsten und weltbekanntesten Schöpfungen M's. "Meyer's Universum oder Abbildung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde", („... eines belehrenden Bilderwerkes für alle Stände“). Texte bis 1856 stammen aus M's Feder. Das bis 1864 erscheinende Universum entspricht M's Zielstellung: „Die Intelligenz ist der stärkste Hort der Humanität und Freiheit.“ (12 Monatshefte mit je 3 - 4 Stahlstichen, bis M's Tod 710 Stahlstiche im Querformat u. ca. 2.800 Textseiten). Insgesamt 17 Bände, produziert in 12 Sprachen, allein in Deutschland 80.000 Abonnenten. Universum ständig Zielscheibe der Zensur, in Österreich z. B. nur gereinigter Text (Drucker bezeichnen sie als "dumme Ausgaben des Universums"), in Preußen 1850 Verbot. Leitung des Universums übernimmt später Dr. Friedrich HOFMANN.

M's politische Meinung in einem Beitrag 1851 bringt ihm Anklage und Verurteilung zu einer mehrmonatigen Gefängnisstrafe.

Arbeitsniederlegungen der Buchbinder wegen Lohnforderungen im BI.

 1834 – 1836

Meyer's Pfennig-Atlas (120 kolorierte Stahlstichkarten) Karte zu 8 Pfennige, 30.000 Auflage)

1834 Beginn der Planungen für Das große Conversations-Lexicon für die gebildeten Stände; Reglements für die Herren Mitarbeiter zur Ausarbeitung des Lexikons, 120 Schriftsteller bzw. Wissenschaftler in 4 Redaktionen.

 1837

Planungsarbeiten, gemeinsam mit dem Nationalökonomen Friedrich LIST, zum Bau einer Hanseatisch-Süddeutschen Central-Eisenbahn. M. erhält von Meininger Regierung „Konzession zur Aufsuchung und zum Abbau nützlicher Mineralien in den Ämtern Eisfeld, Römhild, Hildburghausen, Heldburg, Sonneberg und Salzungen“. Beginn seines großen Montanbesitzes. M. will Deutschland von Stahl- und Eisenimporten unabhängig machen (Bohrungen in ganz Thüringen, Erwerb von Braunkohlen- und Steinkohlen-, Eisenstein-, Kupfer-, Kobalt- und Nickelgruben). Bau eines Hüttenwerkes. Meyers Montanbesitz ist mit über 50 km² der größte Mitteldeutschlands. Der Wert der Gruben allein wird 1857 auf 6.142.145 Gulden geschätzt.


25. August 1839

Die erste Lieferung des 1. Bandes des 52-bändigen Conversations-Lexicons erscheint.

 1842

Meyer kauft den Berggarten am Stadtberg. Der Bergrain und der von ihm errichtete felsumgürtete achteckige Turm bietet „... seinem feurigen Geist die notwendige Ruhe zur Produktion“ (Dr. Hans MEYER).

15. März 1845 Gründung der Aktiengesellschaft Deutsche Eisenbahn-Schienen-Compagnie in Neuhaus-Schierschnitz.

 1846

Veröffentlichung M's Plan eines neuen Deutschen Central-Eisenbahn-Netzes, das Vorhaben scheitert.

 12. März 1848

Reformadresse mit 35 demokratischen Forderungen an den Meininger Herzog. Forderung zur „Umgestaltung des Deutschen Bundestages in ein deutsches Volksparlament“, „Freiheit der Gedankenmitteilung“, „Denk- und Glaubensfreiheit“, „gleiches Gewicht und Maß, gleiche Münze“, „eine deutsche Wehrverfassung“.

 1848 – 1854

3 Ausgaben der billigen Klassikerbibliothek Meyers Groschenbibliothek in 365 Bänden.

 Mai 1848

Herausgabe der Parlamentschronik, Meyers Antwort auf die Einberufung der Nationalversammlung in die Frankfurter Paulskirche ... will dem deutschen Volk "Unterricht über Politik und ihre Grundlehren" erteilen.

 17. Juni 1848

Mit seinem Mitarbeiter, dem Schriftsteller Ludwig KÖHLER, gründet M. einen demokratischen „Volksverein“, mit dem die politische Bildung des Volkes gefördert und das Volk für das erwachende öffentliche Leben gerüstet werden soll.

Er ist enttäuscht, dass die Chance für die Freiheit in der Paulskirche vertan wird („... an der Julisonne der Paulskirche ist Dörren und Welken.“)


März bis Oktober 1848

Dr. Eugen HUHN, der einstige Chefredakteur des Topographischen-Statistischen Lexicons von Deutschland (1844 – 1848), gründet im März 1848 das Freie deutsche Volksblatt H. wird zum Sprachrohr der radikalen demokratischen Kräfte und wird im Oktober verhaftet. M. hinterlegt Kaution, Huhn wird später wieder verhaftet und des Landes verwiesen.

 Oktober/November 1848

Meiningische Regierung ruft bayerische Truppen (Strafbayern), um die „Ruhe“ wieder herzustellen. Die Zeit der Reaktion beginnt; M. ist erschüttert, auch über das deutsche Volk. Er trägt sich mit Auswanderungsgedanken in die Schweiz bzw. nach Amerika.

 1850

Meyer resümiert, dass er eine Saat von 25 Millionen Bücher über die Welt geschickt habe, darunter Millionen von Bibeln.


1850/51

 

M. ist in mehrere "Presseprozesse" verwickelt, wird verurteilt.

 1850

In den Werkstätten arbeiten 300 Mitarbeiter: 32 Setzer, 16 Drucker, 44 Stahldrucker, 48 Buchbinder, 160 Coloristen, Stecher etc.

 1851

Gefängnisstrafe wegen Majestätsbeleidigung. Berühmte Briefe aus Residenzschloss Fronveste zu Hildburghausen. „Zweimalige Gefängnisstrafe, schikanöse Verfolgung seiner Verlagsunternehmungen durch Zensurmaßnahmen, bittere Enttäuschung über die Schwäche und Zerrissenheit des deutschen Volkes. Das war die traurige Ernte, die Joseph Meyer seine politische Betätigung einbrachte. Auch hier scheiterte er in erster Linie deshalb, weil er bei seinen Zeitgenossen die gleiche Stärke des Willens und Werte des Blicks voraussetzte, die ihn selbst auszeichneten."

1851/52 Meyer und sein Sohn Hermann Julius verhandeln mit Schweizer Kantonalverwaltungen wegen des Umzugs des Bibliographischen Instituts in die Schweiz.

 1852

Conversations-Lexicon: Insgesamt 46 Bände, 1853/55 folgen 6 Supplementbände (Ergänzungsbände) mit durchschnittlich mit 700 bis 800 Seiten, mit über 5.000 Holzschnitten und 500 Stichen; zeitweise gibt es bis zu 70.000 Subskribenten.

 1853

Meyer reduziert seine bisherigen Eisenbahn-Projekte auf den Bau der Werra-Eisenbahn (Eisenach – Meiningen – Hildburghausen – Eisfeld – Coburg) und scheitert damit 1855.

 1855

Gründung von Meyers Geschichtsbibliothek für allgemeine Kunde des Kultur- und Völkerlebens.

 1856

M. mit Plan zur Gründung der Allgemeinen Bank- und Creditanstalt

 27. Juni 1856

M. stirbt an einer Lungenentzündung und Schlaganfall in Hildburghausen. Sohn Hermann Julius M. übernimmt Leitung des Bibliographischen Institutes und führt es zu neuer Blüte. Der riesige Montanbesitz wird im Laufe der Zeit verlustreich verkauft.

1856

weist das Bibliographische Institut folgende Abteilungen auf:

I.          Buchverlag

Enzyklopädien

Bibeln

Bilderwerke

populärwissenschaftliche Bücher und Sammelwerke verschiedener älterer Verlage

 II.         Geographischer Verlag

Geographische und topographische Werke

Atlanten

 III.        Klassischer Kunstverlag

Zweigniederlassungen existierten/existieren in:

Paris (01. 06. 1837), Amsterdam (25.03.1837), Konstantinopel (heute: Istanbul), New York (1832 – 1835), ab 1849 selbständiges Geschäft von Sohn Hermann Julius MEYER, Philadelphia (1837 – 1840), London, Budapest.

 Cirkular

Hildburghausen den 31. Juli 1856.

Indem ich mich der schmerzlichen Pflicht entledige, Ihnen den am 27. vorigen Monats erfolgten Tod meines Gatten und des seitherigen Chefs des Bibliographischen Instituts, Joseph Meyer, anzuzeigen, benachrichtige ich sie gleichzeitig, dass ich die Vollmachten und Funktionen des Verblichenen als unbeschränkten und alleinigen Disponenten meiner Firma auf meinen Sohn, Herrmann J. Meyer, übertragen habe und bitte Sie, von seiner nachfolgenden Unterschrift Vormerkung zu nehmen.

Mit Hochachtung 

Herrmann J. Meyer wird zeichnen: 

Aus: May, Karl-Heinz: Der feurige Geist Joseph Meyer 1796 – 1856. – Verlag Frankenschwelle Hildburghausen, 1996

 

Carl Josep Meyer



Bibliographisches Institut Westansicht



   Bibliographische Institut Eingang Obere Marktstraße




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