Paul, Jean
Notizen von Hans-Jürgen Salier zum 250. Geburtstag des gefeierten Dichters
Wenn auch Bücher nicht gut oder schlecht machen,
besser oder schlechter machen sie doch!
(Jean Paul)
Johann Paul Friedrich Richter, genannt Jean Paul
*21.03.1763 † 14.11.1825 |
Jean Paul Friedrich Richter, Gemälde von Heinrich Pfenninger, 1798,Gleimhaus Halberstadt Wikipedia |
Seit dem 21. März 2013 stehen in 25 Wirkungsstätten des Dichters in fünf deutschen Bundesländern und in Tschechien 25 Litfaßsäulen und erinnern an den heute nahezu vergessenen Dichterstar, der auch in Hildburghausen Bedeutendes schrieb. Wir wollen die Homepage nutzen, um an das Ereignis zu erinnern.
Zur Vorgeschichte
Jean Paul kommt im Mai 1799 auf Einladung Herzogin Charlottes nach Hildburghausen und lebt am Hof in großer Intimität. Herzog Friedrich ernennt den populären Dichter zum Legationsrat. Sein Logis findet er im “Gasthof Zum Erbprinzen” bei Hofbüttner Christian Gehring* bzw. seine Wohnung am Schlossplatz in einer ehemaligen Amtswohnung. Am 25. Mai 1799 schreibt er aus Hildburghausen an seinen Freund Otto:
”Hier sitze ich nun seit einer Woche und recht weich. Erstlich denke dir, mal dir die himmlische Herzogin, mit schönen kindlichen Augen, das ganze Gesicht voll Liebe und Reiz und Jugend, mit einer Nachtigallen-Stimmritze und einem Mutterherz - dann denke dir die noch schönere Schwester, die Fürstin von Solms und eben so gut und die dritte, die Fürstin von Thurn und Taxis, welche beide mit mir an einem Tage mit den gesunden frohen Kindern ankamen. (Erlasse mir die Männer). Mit der von Solms wollte ich in einem Kohlenbergwerk hausen, dürfte ich ihren Galan da vorstellen. Diese Wesen lieben und lesen mich und wollen nun, dass ich noch 8 Tage bleibe, um die erhabene, schöne vierte Schwester, die Königin von Preußen, zu sehen. Ich bin auf Mittag und Abend immer gebeten. Der Herzog äußerst gutmütig, machte anfangs nicht viel fait von mir; aber jetzt ist er mir recht gut, und er merkte an, dass ich mir zu wenig Spargel genommen und gab mir außer diesem die ersten Hirschkolben zu essen, die nicht sonderlich sind. Gestern habe ich vor dem Hof auf dem Flügel phantasiert. Auch hier habe ich eine anständige Bruder- und Schwestergemeinde und kann der Zinzendorf sein."
Am 27. Oktober 1799 aber bemerkt er:
"Ich wusste voraus, dass der Hof in Seidingstadt war, wo ich heute auf eine Nacht hinausfahre. Die schöne Herzogin war gerade bei meinem Einfluge hier und ließ mich sogleich auf ein paar Minuten vor dem Einsteigen kommen. Außer einer Geliebten weiß ich nichts Schöneres als diese süße Gestalt. Hätt' ich nur Zeit und Wetter, eine Woche lang bliebe ich unter ihrem Dache."
Zum höfischen Leben in Hildburghausen äußert sich Jean Paul:
"Ich studiere an diesen Höfchen die Curalien mehr ein für meine Biographien. Wenn Alles aus den Vorzimmern in den Speisesaal zieht, so schreitet das kurze Kammerjunker- und sonstige Volk und ich mithin mit wie die Schule vor der Bahre voraus und die fürstlich gepaarten Personen schleifen nach.
Wieland aber (das erzählt er mir selbst immer mit Spaß über seine Unwissenheit) gedachte höflich zu sein und ging nicht voran, sondern fügte sich zum Nachtrapp und kam so zugleich mit den Fürstenpaaren an."
* heute: später Gasthaus Fränkische Leuchte, heute: Firenze
Nach: Rudolf Armin Human: Chronik der Stadt Hildburghausen, der Diözese und des Herzogtums. – Hildburghausen, 1886, S. 204 f. bzw. Reprint Verlag Frankenschwelle KG (Herausgegeben von Hans-Jürgen Salier), 1999.
Jean Paul
Der Traum der Wahrheit
Aphrodite, Aglaja, Euphrosyne und Thalia* sahen einst in das irdische Helldunkel hernieder und, müde des ewig heitern, aber kalten Olympos, sehnten sie sich herein unter die Wolken unserer Erde, wo die Seele mehr liebt, weil sie mehr leidet, und wo sie trüber, aber wärmer ist. Sie hörten die heiligen Töne heraufsteigen, mit welchen Polyhymnia** unsichtbar die tiefe, bange Erde durchwandelt, um uns zu erquicken und zu erheben; und sie trauerten, daß ihr Thron so weit abstehe von den Seufzern der Hülflosen.
Da beschlossen sie, den Erdenschleier zu nehmen und sich einzukleiden in unsere Gestalt. Sie gingen von dem Olympos herab; Amor und Amorinen*** und kleine Genien flogen ihnen spielend nach, und unsere Nachtigallen flatterten ihnen aus dem Mai entgegen.
Aber als sie die ersten Blumen der Erde berührten und nur Strahlen und keine Schatten warfen, so hob die ernste Königin der Götter und Menschen, das Schicksal, den ewigen Zepter auf und sagte: "Der Unsterbliche wird sterblich auf der Erde und jeder Geist wird ein Mensch!"
Da wurden sie Menschen und Schwestern und nannten sich Luise, Charlotte, Therese, Friederike****; die Genien und Amorinen verwandelten sich in ihre Kinder und flogen ihnen in die Mutterarme, und die mütterlichen und schwesterlichen Herzen schlugen voll neuer Liebe in einer großen Umarmung. Und als die weiße Fahne des blühenden Frühlings flatterte – und menschlichere Thronen vor ihnen standen - und als sie, von der Liebe, der Harmonika ***** des Lebens, selig erweicht, sich und die glücklichen Kinder anblickten und verstummten vor Lieb' und Seligkeit, so schwebte unsichtbar Polyhymnia vorüber und erkannte sie und gab ihnen die Töne, womit das Herz Lieb' und Freude sagt und gibt ...
– Und der Traum war geendigt und erfüllt; er hatte, wie immer, nach der Wirklichkeit und dem Wachen sich gebildet. Darum sei er den vier schönen und edeln Schwestern geweiht, und alles, was ihm im "Titan" ähnlich ist, sei es auch!
Jean Paul Richter.
* Göttin der Schönheit und die drei Grazien
** Muse des Gesangs
*** kleine Liebesgötter
**** Die vier schönen und edlen Schwestern auf dem Thron: Luise, Königin von Preußen; Charlotte, Herzogin von Sachsen-Hildburghausen; Therese, Fürstin von Thurn und Taxis; Friederike, Fürstin von Solms
***** die süß tönende Glasharmonika, ein modisches Musikinstrument um 1800
Biografisches zu Jean Paul
- 21.03.1763, Wunsiedel als Johann Paul Friedrich Richter
- † 14.11.1825, Bayreuth.
Dichter, Schriftsteller, Hildburghäuser Legationsrat.
Ab 1781 studiert er Theologie und Philosophie, 1784 bricht er sein Studium aus finanziellen Gründen ab und ist anschließend als Hauslehrer auf Schloss Töpen bei Hof tätig. 1790 gründet er die Elementarschule in Schwarzenbach, in der er bis 1794 als Rektor tätig ist. Von 1798 – 1800 lebt er als Dichter in Weimar und pflegt Freundschaft mit Herder, Goethe, Schiller. Im Mai 1799 kommt er auf Einladung von Herzogin Charlotte nach Hildburghausen und wird zum Legationsrat ernannt. Hier verlobt er sich mit Karoline von Feuchtersleben. Seinen Bildungsroman Titan (1800 – 1803, in Meiningen vollendet) widmet er den vier "königlichen Schwestern auf dem Thron” (Königin Luise von Preußen, Charlotte von Sachsen-Hildburghausen, Mathilde Therese von Thurn und Taxis, Friederike von Hannover [von Solms]). Nach einem Jahr verlässt er nach Zerwürfnissen mit dem Hof die Stadt.
Er setzt sich kritisch mit dem bürgerlichen Genie und der höfischen Bildung der Weimarer Klassik auseinander. Nach Zerwürfnissen mit dem Hof verlässt er Hildburghausen, besucht aber von Meiningen aus oft die Stadt.
Den zeitgenössischen literarischen Strömungen steht J. P. entgegen, er ist außerordentlich erfolgreich und wird zum gefeierten Dichter. Entscheidend hebt er sich von der Klassik ab (realistische Milieuschilderungen, subtile psychologische Gestaltung).